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Der Raumdeuter wird erwachsen: Tim Marsh im Interview
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Der Raumdeuter wird erwachsen: Tim Marsh im Interview

Sich selbst bezeichnet Tim Marsh als »Profi-Kritzler«. Dabei hat seine Kunst mehr mit klaren Linien und Formen zu tun. Und die ist genauso vielseitig wie der Mensch Tim Marsh selbst. Er war Inlineskate-Pro, ist Capoeira-Lehrer – und ist gerade dabei, erwachsen zu werden. Verrät er uns im Interview.

  • Interview :
    Marko Knab
  • Fotos:
    Greg Mirzoyan

Hallo Tim! Du hast in Deinem Leben ja schon ziemlich viel gemacht: Kunst, Skating, Capoeira und noch viel mehr. Wie bist Du zu dem geworden, der Du heute bist?

Indem ich meine Träume verfolge! So einfach ist das. Wobei ich gar nicht weiß, wie ich etwas anderes machen sollte. Als ich anfing, Wände zu bemalen, war es auf jeden Fall wahrscheinlicher, dafür im Gefängnis zu landen als dafür bezahlt zu werden. Also habe ich versucht, den Job zu finden, der dem am nächsten kommt, und wurde Grafikdesigner. Aber ich merkte, dass diese Arbeit eigentlich darin bestand, die Ideen anderer Leute umzusetzen. Und das war nicht so mein Ding.

Was hast Du also gemacht?
Ich beschloss, alles aufzugeben. Meinen Job, aber auch meine Heimatstadt Paris. Paris ist wunderschön, aber dort zu leben war einfach nichts für mich. Ich brauche die Sonne und das Meer. Zwei Optionen schwebten mir vor: Malta, da ich dort Familie habe – und eben Barcelona. Ich habe mich für Barcelona entschieden, und es war die beste Entscheidung! Als ich dort ankam, bin ich quasi hyperaktiv geworden. Ich habe jede Woche eine Wand oder eine Leinwand bemalt. So konnten die Leute gar nicht anders als mich zu bemerken. Einige haben mich dann für sie arbeiten zu lassen. Es lief gut, und andere vertrauten mir daraufhin auch – und schon ging das alles los!

Was macht Barcelona für Dich so besonders?
Barcelona hat einfach alles: Sonne, Meer, die Berge nur eine Stunde entfernt, Wälder vor den Toren der Stadt. Es ist eine ziemlich große Stadt, aber immer noch klein genug, um ruhige Stadtteile zu finden. Außerdem ist die Kunstszene in Barcelona unglaublich. Einige der besten Wandmaler der Welt leben hier. Es ist toll, mit ihnen Zeit, Ideen und die Leidenschaft zu teilen. Das Gleiche gilt für das Skaten. Im Grunde ist Barcelona die perfekte Stadt für mich!

»Ich habe mich für Barcelona entschieden – und es war die beste Entscheidung!«

Was für Vorbilder hast Du?

Meine Eltern haben mich in vielerlei Hinsicht inspiriert. Sie haben mir ihre Werte vermittelt, und ich habe aus ihren Fehlern gelernt. Sie hatten immer Angst, nicht genug zu geben. Wir stammen aus einem einfachen Elternhaus. Und sie waren immer traurig, dass sie uns kein Geld hinterlassen können, wenn sie gehen. Aber ich kann ihnen nicht oft genug sagen, dass das, was sie uns gegeben haben, wertvoller ist als alles Gold der Welt. Ich könnte nicht dankbarer sein, dass ich in dieser Familie aufgewachsen bin!

Wie kommt es, dass Du unter Deinem richtigen Namen arbeitest und nicht wie so viele andere unter einem Künstlernamen?

Nun: Früher musste ich anonym bleiben, um mir keinen Ärger einzuhandeln. Aber jetzt, da ich Wände vor allem im Auftrag bemale, macht die Anonymität nicht wirklich Sinn. Es ist doch viel besser, wenn die Leute wissen, wer wirklich hinter diesen Wandgemälden steckt.

»Jetzt, wo ich Wände in Auftrag bemale, hat es keinen wirklichen Sinn, anonym zu bleiben.«

Welche Rolle spielt eigentlich Musik für Dich? Dein erster Künstlername, den wir jetzt nicht verraten wollen, drückt ja eine enge Verbindung zur Musik aus.

Woher kennt ihr den? Ich bin beeindruckt! Also, während alle meine Graffiti-Freunde beim Malen Gangsta-Rap hörten, waren es bei mir eher Jazz, Funk und Soul ... und daraus habe ich dann mein Synonym gestrickt. Musik ist nach wie vor sehr wichtig für mich, für das Malen ebenso wie für das Leben im Allgemeinen. Einer meiner besten Freunde, Mathieu, ist der talentierteste Musiker, den ich kenne. Wenn wir zusammen sind, können wir stundenlang zusammen musizieren, er passt sich einfach dem an, was ich auf der Gitarre spiele. Das lässt einen schnell die Zeit vergessen – so wie beim Malen.

Ist das auch beim Capoeira der Fall? Du bist ja Lehrer dieser tänzerischen brasilianischen Kampfkunst.
Zuallererst habe ich beim Capoeira gelernt, mich im Raum zurechtzufinden. Ich meine, es lehrt einen, sich zurechtzufinden, auch wenn alles auf dem Kopf steht. Und es lehrt einen auch, wie man auf die Füße fällt, was mir bei vielen Gelegenheiten beim Inlineskaten den Hintern gerettet hat! Als Lehrer selbst habe ich gelernt, Leidenschaft zu vermitteln und mich mehr zu konzentrieren. Es hat mir gezeigt, wie ich die Motivation der Schüler erhalten kann – und meine eigene auch.

Apropos Lehren und Lernen: Was lernst Du jetzt gerade, was Du bisher noch nicht konntest?

Ich denke, ich werde erwachsen, fange etwas mit meinem Leben an und baue mir eine Zukunft auf ... was für mich schon ziemlich viel ist! (lacht) Ich habe vor Kurzem eine wunderbare Frau geheiratet und wir wollen eine Wohnung kaufen. Wie erwachsen ist das denn bitte? (lacht)

Glückwunsch! Hört sich an, als ob Du einige Ziele auf Deiner Bucket-List abhaken kannst. Aber da steht doch sicher noch was drauf – ein Objekt, das Du gerne künstlerisch gestalten würdest, zum Beispiel. Von was träumst Du?
Ich versuche immer, jedes Jahr etwas zu wachsen. Bis jetzt läuft es gut, aber ich würde gerne ein Flugzeug oder ein Boot bemalen, mehr große Wände gestalten ... Aber der beste Traum ist vor allem, das zu tun, was ich liebe! Es ist eine Menge Arbeit, aber es fühlt sich an, als müsste man nie mehr arbeiten! Wie cool klingt das denn?!

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Mit dem SEAT Arona.

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