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Farben, Freude und der geometrische Akrobat: Street Artist Tim Marsh
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Farben, Freude und der geometrische Akrobat: Street Artist Tim Marsh

»Malen ist alles, was ich kann«, sagt Tim Marsh über sich selbst. Im Interview mit dem Künstler zeigt sich aber schnell: Tatsächlich ist der französische Street Artist ein echtes Multitalent und nutzt viele verschiedene Formen, um sich auszudrücken.

  • Interview:
    Marko Knab
  • Fotos:
    Greg Mirzoyan

Hallo Tim, wir haben gelesen, dass Du jedes Kunstwerk mit der Farbe Blau beginnst. Stimmt das? Und wenn ja, warum machst Du das?

Das stimmte früher wirklich! Ich weiß eigentlich gar nicht genau, warum, aber ich schätze, es war eine Gewohnheit, die zu einem Ritual wurde. Aber als die Wände und Leinwände größer wurden, musste ich anfangen, praktischer zu denken. Deshalb versuche ich jetzt, mit Gelbtönen zu beginnen. Aus dem einfachen Grund, weil Gelbtöne transparenter sind. Du benötigst also mehr Schichten. Das heißt aber auch, dass sie mehr Zeit zum Trocknen brauchen. Wenn ich also etwas Klebeband darüber anbringen muss, um eine saubere Form zu erhalten, ist es besser, wenn ich die gelben Abschnitte sehr früh male.

Was hat Deine Leidenschaft für die Kunst geweckt?
So lange ich denken kann, habe ich gezeichnet. Bilder faszinierten mich schon immer mehr als Texte. Als Kind liebte ich Comics und hasste Bücher. Ich habe immer versucht, meine Comic-Helden zu zeichnen und das Niveau ihrer Schöpfer zu erreichen. Das ist mir aber nie gelungen. Aber als ich dann das Skaten und die urbane Kultur entdeckte, wollte ich lieber Buchstaben konstruieren, ich wollte die Grundlagen von Graffiti verstehen und meine Notizbücher damit füllen. Bis zu dem Tag, an dem ich eine Sprühdose in die Hand bekam. Meine Eltern waren ziemlich besorgt, weil ich mich mehr für das Skaten und Malen als für die Schule interessierte. Allerdings haben sie mich immer unterstützt.

Kannst Du uns da auch etwas über den Einfluss von Jean de la Fontaine auf Dich erzählen?
Als Kind liebte ich seine Geschichten und die Art, wie er Tiere darstellte. Erst später verstand ich, dass er mit seinen Tieren tatsächlich die Gesellschaft der Menschen darstellte – und das hat mich umgehauen. Er konnte tatsächlich die Adeligen und die Gesellschaft im Allgemeinen kritisieren, war dabei aber so geschickt, dass er nicht dafür ins Gefängnis musste.

»Solange ich denken kann, habe ich immer gezeichnet. Bilder haben mich schon immer mehr fasziniert als Texte.«

Deine Kunst ist geprägt von geometrischen Formen, Tierfiguren und kräftigen Farben. Wie kam es zu diesem Stil? Was drückst Du damit aus?
Als ich mit Graffiti anfing, habe ich Buchstaben aus bunten Formen gemacht. Ich konzentrierte mich mehr auf die Farben als auf die Buchstaben, weil man im Graffiti immer denselben Namen schreibt. Irgendwann wollte ich abstraktere Bilder schaffen, also fing ich an, geometrische Formen zu verwenden. Und dann habe ich figurativere Bilder mit diesen geometrischen Formen gemalt, damit die Leute meinen Stil erkennen. Und nun versuche ich, Botschaften in meine Bilder zu bringen. Ich sage gerne, dass ich male, um die Kinder zum Lächeln und die Erwachsenen zum Nachdenken zu bringen.

Und für welche Lebenseinstellung steht Deine Kunst?
Nun, wie ich schon sagte: Malen ist alles, was ich kann. Zumindest ist Malen das Einzige, was mich nie ermüdet. Ich liebe es, Farben in die Dinge zu bringen. Und ich bin sehr glücklich darüber, dass ich einen Job habe, der mir so viel Spaß macht. Solange ich also malen kann, bin ich dankbar und froh. Ich versuche, auf das zu reagieren, was in der Welt vor sich geht, und all das in meinen Bildern zu vermitteln. Es kann Kritik sein, aber immer versteckt hinter Farben und lustigen Situationen.

Auf welche Farbe könntest Du dabei am ehesten verzichten?
Wenn ich wählen müsste, würde ich mich für Braun entscheiden. Ich sage das aber nur, weil ich diese Frage beantworten muss und weil Braun die Farbe ist, die ich in letzter Zeit am wenigsten benutzt habe ...

Siehst Du Dich als Sprayer, als Street Artist oder als klassischer Künstler? Gibt es da überhaupt Unterschiede?
Ich betrachte mich einfach als Maler. Ich kann mich nicht mehr als Graffitikünstler bezeichnen, da Graffiti illegal ist und ich jetzt hauptsächlich von Auftragsarbeiten lebe. Aber ich liebe es, etwas zu schaffen. Gemälde, Wände, Designs … Wen kümmert es, wie man das genau bezeichnet …?

Du hast da für Dich selbst einmal den Begriff »Geometrischer Akrobat« verwendet. Was bedeutet das?
Es begann einfach mit einer Ausstellung, der ich einen Namen geben musste. Ich verwendete Geometrie, und wegen der vielen Farben und Formen schienen die Bilder regelrecht zu hüpfen ... Und was den Akrobaten angeht: Ich bin früher viel Schlittschuh gelaufen und habe auch Capoeira praktiziert, so kam es dazu.

Was ist Deiner Meinung nach das Besondere an Street Art – verglichen mit der Kunst, die man in Museen findet?
Die Antwort steckt in der Frage! Street Art befindet sich nicht in einem Museum. Deshalb ist sie für die Menschen frei zugänglich. Ich finde es toll, dass Street Art nicht den Eliten vorbehalten ist, den Menschen, die es sich leisten können, in Museen und Galerien zu gehen. Street Art ist einfach für jeden zu sehen und auch für jeden zu übermalen. Das ist das Schöne daran. Das kann jahrelang bestehen – oder nur ein paar Stunden.

Kommen wir zu Deinem aktuellsten Kunstwerk, dem SEAT Arona. Ist er Dein erstes Art Car?
Nein, das ist er nicht, ich habe schon ein paar Autos bemalt. Tatsächlich finde ich Autos ziemlich kompliziert, da die Oberfläche so klein ist. Es ist schwer, kleine Details in nur zwei Tagen zu machen. Ich habe auch schon Busse und Straßenbahnen in Hongkong bemalt. Und weil da die Fläche größer ist, ist es in gewisser Weise einfacher. Aber ich liebe Herausforderungen.

Kannst Du die Herausforderungen etwas genauer beschreiben? Im Vergleich zu anderen Gegenständen?

Nun, wie bereits erwähnt hat ein Auto eine ziemlich kleine Fläche. Wenn man noch die Kurven, Löcher und Unebenheiten hinzufügt sowie die Tatsache, dass es keine Übergänge zwischen horizontalen und vertikalen Flächen gibt, ist das so ziemlich der Albtraum eines jeden Malers! (lacht)

»Tatsächlich finde ich Autos kompliziert zu bemalen, da die Oberfläche so klein ist. Aber ich liebe Herausforderungen!«

Kann so ein Objekt mit vielen Ecken und Kanten aber auch die Kreativität anregen?

Natürlich kann es das, alles kann inspirieren, jede Oberfläche, jedes Objekt. Und die Herausforderung an sich ist auch sehr anregend.

Apropos anregend: Street Art ist sehr ausdrucksstark. Street Artists sind dagegen in der Öffentlichkeit eher zurückhaltend. Warum ist das so?

Nun, der allererste Grund ist, dass Graffiti illegal ist, darum bleiben Graffitikünstler anonym. Außerdem – und das ist nur meine Meinung – möchte ich, dass meine Arbeit bekannt wird, nicht meine Person. Normalerweise muss man in der Kunstwelt an den richtigen Orten sein, mit den richtigen Leuten reden, dafür sorgen, dass sich die Leute an deine Person erinnern. Ich hasse das und ich bin schlecht darin. Wenn ich jemals Zeit mit jemandem verbringe, dann wegen dem, wer er ist, und nicht wegen dem, was er mir bringt.

Lebt die Straßenkunst von genau diesem Kontrast?

Ich bin mir nicht sicher, was ich dazu sagen soll ... Ich denke, dass uns Street Art die Möglichkeit gibt, unsere Arbeit bekannt zu machen, indem sie einfach für jeden zugänglich ist. Aber ich habe gesehen, wie sehr mittelmäßige Künstler durch all die Leute, denen Sie in den Hintern kriechen, berühmt wurden ...

Du arbeitest auch digital und mit Licht. Kannst Du uns da noch etwas darüber erzählen? Gibt es da große Unterschiede zu Deinen Wandbildern?

Aaah, das Light Painting war eine großartige Inspirationsquelle, und ich habe es mit meinen anderen Leidenschaften vermischt. Es ermöglicht dem Betrachter, zu sehen, was mit dem bloßen Auge nicht sichtbar ist – und wie nahe die menschliche Bewegung der Kalligrafie sein kann. Und Street Art hat mich dazu inspiriert, Schablonen aus Licht zu machen, die es vorher im Light Painting noch nicht gab. Der Prozess ist ganz anders als bei der Malerei, man kennt die Basis, die man malen muss, und geht dann mit dem Flow. Beim Light Painting muss man vorher ziemlich genau wissen, was man machen will. Das ist genau der Grund, warum ich nicht mehr viel Light Painting mache ...

Und last but not least: Hast Du ein Lieblingswerk unter all Deinen Arbeiten?

Natürlich habe ich eines! Aber ich werde es  nicht verraten ... (lacht)

Zieh dein Ding durch - und feiere, was dich ausmacht.
Mit dem SEAT Arona.

Zieh dein Ding durch - und feiere, was dich ausmacht. <br> <b> Mit dem SEAT Arona. </b>

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