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Annie Chops: handgemachte Hits und virale Videos
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Annie Chops: handgemachte Hits und virale Videos

Man nehme eine Gitarre, ein Straßenkonzert, ein virales Video und eine Musikerin, die nichts mehr liebt als die Musik. Annie Chops hat mit ihrer unvergleichlichen Art schon viel erreicht. Und will noch mehr. Im Interview erzählt sie von Gänsehautmomenten auf Konzerten, über ihren abgelegten Künstlernamen und was es wirklich für den Erfolg braucht.

  • Interview:
    Wiebke Brauer
  • Fotos:
    Tim Adler

Annie, wie bist Du zur Musik gekommen?

Als kleines Kind habe ich immer meine Ohren ganz dicht vor die Boxen gehalten, wenn meine Eltern Musik abgespielt haben. Sie sorgten sich dann immer, ob ich nicht richtig hören könne. Aber: Ich glaube, das war einfach schon immer in mir. Mit 14 Jahren habe ich dann den Film »Freaky Friday« mit meinen besten Freundinnen geschaut. Da ist auch eine Girls-Band zu sehen – das fanden wir so cool, dass wir auch eine gründeten.

Was bedeutet Dir das virale Video aus der Frankfurter S-Bahn heute, das Dich beim Covern des Prince-Klassikers »Kiss« zeigt?

Das ist tatsächlich eine ganze Weile her! Wenn ich mich an das daraus entstandene Momentum erinnere, dann rasen ganz viele Eindrücke und Bilder einer aufregenden Zeit im Medien-Getümmel an mir vorbei. Ich bin in erster Linie aber super dankbar, dass ich das erleben durfte. Die Millionen Klicks werden mir für immer ein Reminder sein, auf mein Talent zu vertrauen. Und auch daran, dass ich den Menschen mit meiner Stimme und meiner offenen Art so viel Freude schenken kann. Das ist ja auch das Schöne, die Power von Musik! Die Erfahrung aus dieser Zeit lehrt mich aber auch, wie schnelllebig und oberflächlich dieses Business sein kann. Aber: Ich lasse mich nicht von schnellen Hypes oder der Meinung anderer vom Weg abbringen.

»Die Millionen Klicks werden mir für immer ein Reminder sein, auf mein Talent zu vertrauen. Und auch daran, dass ich den Menschen mit meiner Stimme und meiner offenen Art so viel Freude schenken kann.«

– Annie Chops

2021 wurde aus Kiddo Kat – so Dein früherer Künstlername – dann Annie Chops. Kann man sich mit einem neuen Namen wirklich neu erfinden?

Ich wollte in erster Linie nicht mehr das Kind, also das »Kiddo« sein. Es ging auch darum, mehr zu mir selbst zu finden – auch mit Blick auf das, was ich wirklich als Künstlerin verkörpern will. Das ist ein Prozess, der wohl nie aufhört. Aber mein Künstlername ist nun endlich keine zu klein gewordene Maske, kein Pop-Girlie-Image mehr. Aber neu erfinden wollte ich mich eigentlich nicht. Vielmehr wollte ich einfach dorthin zurück, wo ich mich selbst sehe.

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»Es ging auch darum, mehr zu mir selbst zu finden – auch mit Blick auf das, was ich wirklich als Künstlerin verkörpern will. Das ist ein Prozess, der wohl nie aufhört.«

– Annie Chops

Du hast als Straßenmusikerin angefangen. Was war das Wichtigste, das du dort gelernt hast?

Auf der Straße habe ich einfach alles gelernt, was ich über das Performen und die Interaktion mit dem Publikum weiß. Da gibt es kein Richtig oder Falsch, aus dem Moment entsteht die Magie, aus jedem Fehler eine neue Idee und aus jeder gefühlten Katastrophe eine witzige Situation, die mich am Ende dem Publikum näherbringt. Bei Street-Konzerten kann man sich nicht hinter einer Pyro- oder Lichtshow, einem Bühnenbild und all dem anderen Firlefanz verstecken. Es geht einzig und allein um die Musik – und darum, ob Du es schaffst, mit Deinem Talent und Deiner Ausstrahlung den Funken überspringen zu lassen. Wenn das klappt, dann offenbart sich die wahre Kraft von Musik: Man schafft es, fremde Menschen aus verschiedenen Lebensrealitäten für einen kurzen Augenblick aus ihrem Alltag zu reißen und zu vereinen.

Wie kam es dann von Konzerten auf der Straße zu der Zusammenarbeit mit Mark Forster?

Das kam, wie solche Dinge immer kommen in meiner Branche: Jemand kennt einen, der einen kennt, der einen schon mal irgendwo auf einem Konzert gesehen hat – und dann wird man weiterempfohlen.


»Es geht einzig und allein um die Musik – und darum, ob Du es schaffst, mit Deinem Talent und Deiner Ausstrahlung den Funken überspringen zu lassen. Wenn das klappt, dann offenbart sich die wahre Kraft von Musik.«

– Annie Chops

Schreibst Du Deine Texte selbst?

Größtenteils. Bei einigen neuen Nummern auf Deutsch habe ich mir ein wenig Unterstützung gesucht, weil ich das Gefühl für meine eigene Art deutscher Texte noch finden muss. Dabei inspiriert mich alles, was mich umgibt. Und besonders, wenn Menschen mir ihre Seele offenbaren und ihre Story mitteilen. Es gibt ein Zitat aus dem Film »Almost Famous«: »The only true currency in this bankrupt world is what you share with someone else when you’re uncool.« Das würde ich direkt so unterschreiben.

Was hat Dich dann zuletzt wirklich bewegt?

Das Feist-Konzert im August, bei dem ich seit Langem endlich mal wieder eine Künstlerin ohne Playbacks auf der Bühne gesehen habe. Eine Künstlerin, die das Wort Künstlerin wahrhaftig verdient! Sie eröffnete das Konzert mit einer Dreiviertelstunde voller Akustik-Songs und stand auf einer Bühne mitten im Raum. Das Publikum war so still und in den Bann gezogen – man hätte in den Pausen eine Stecknadel fallen hören können. Nach diesem Intro lief sie dann zur Bühne, der Vorhang fiel – und dahinter kam die Band zum Vorschein. Inklusive einer riesigen Diskokugel, die den Raum erstrahlen ließ. Ein unglaublicher Gänsehaut-Moment!

Frauen als Gitarristinnen sind noch immer in der Minderheit. Woran liegt das Deiner Meinung nach?

Ich habe durch meine Arbeit als Live-Gitarristin für Mark Forster aus erster Hand erlebt, was die entsprechende Plattform für einen Unterschied macht: Von den vielen Kindern, die bei Mark im Publikum sind, kamen so viele Mädels zu mir und wollten plötzlich auch Gitarre spielen – nur weil sie mich auf der Bühne gesehen hatten. Diese Initialzündung, eine andere Frau mit Instrument auf der Bühne zu erleben und darüber hinaus zu begreifen, dass diese Rolle auch für einen selbst bestimmt sein könnte – das ist so wichtig.

»Diese Initialzündung, eine andere Frau mit Instrument auf der Bühne zu erleben und darüber hinaus zu begreifen, dass diese Rolle auch für einen selbst bestimmt sein könnte – das ist so wichtig.«

– Annie Chops

Hat sich Deiner Ansicht nach bereits etwas verändert?

Ich glaube, es hat sich schon einiges getan. Besonders im Bewusstsein dafür, dass sich in der Musikbranche erst mal etwas ändern muss. Es gibt tolle Impulse wie das All-Female-Flinta-Line-up-Festival von Caroline Kebekus 2023. Auf dem durfte auch ich spielen. Aber: Wir sind leider nach wie vor noch lange nicht am Ziel einer komplett gleichberechtigten Musikbranche.

Was würdest Du ändern, wenn Du alle Macht dazu hättest?

Bedingungsloses Grundeinkommen und die faire Verteilung der Reichtümer dieser Welt!

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