Von David Bowies »Heroes« über Depeche Modes »Some Great Reward« bis hin zu »Achtung Baby« von U2: In Berlin entstanden einige der wichtigsten Alben des 20. Jahrhunderts. Kreativer Hotspot war ein legendäres Tonstudio.
Berlin Schöneberg, Hauptstraße 155, erste Etage. In diese Altbauwohnung zog 1976 einer der schillerndsten Rockstars der Welt: David Bowie. Abseits von Pop-Rummel und Blitzlichtern wollte Bowie wieder zu sich finden. Im Gepäck hatte er seinen Kumpel, den Punkrocker Iggy Pop. Der musste allerdings kurz darauf ins kleinere Hinterhaus umziehen. Der Grund: Er klaute zu oft die Lebensmittel aus dem Kühlschrank, die Bowie im KaDeWe gekauft hatte.
Nur zwei Jahre lebte David Bowie in Berlin, aber die gehören zu seinen kreativsten: Die düstere, entrückte Stimmung der eingemauerten Stadt inspirierten den Briten zu den Alben »Low« und »Heroes«, die zu den wichtigsten seiner Karriere zählen. Und natürlich zum Welthit »Heroes«: Der Song, in dem Bowie über ein Paar singt, das sich an der Berliner Mauer küsst, während es von Grenzsoldaten beschossen wird, beschreibt wie kein zweiter das Lebensgefühl Berlins in den 70er-Jahren.
Bowies Erfolg ist eng verwebt mit der Geschichte der legendären Hansa-Studios, die versteckt im Hinterland des trubeligen Potsdamer Platzes liegen. In dem Tonstudio entstand Iggy Pops Klassiker »The Idiot«, hier nahmen auch U2, Nick Cave, R.E.M., Jack White, Nina Hagen und Herbert Groenemeyer wichtige Platten auf. Die stärksten Alben stammen jedoch aus der Zeit, als Berlin noch eine geteilte Stadt war. Ein knisterndes Kreativ-Mekka, ein Magnet für unzählige gestrandete Künstlerseelen, Suchende und politische Aktivisten. »Berlin, die größte kulturelle Extravaganz, die man sich vorstellen kann«, beschrieb es David Bowie einmal.
Vom Hansa-Studio aus konnte man auf die Mauer blicken, in der Nachbarschaft lärmten Industrieanlagen, vor der Tür gab es einige heruntergekommene Stripclubs, die Stimmung war aufregend und leicht bedrohlich. Auch Depeche Mode ließen sich hier inspirieren, statt fröhlichem Synthie-Pop auch mal düstere Klangstrukturen auszuprobieren. So entstand das Album »Some Great Reward« mit Hits wie »People Are People«, der ihnen 1986 zum Durchbruch verhalf. Die Einstürzenden Neubauten, die gleichzeitig mit den Briten in den Hansa-Studios aufnahmen, erklärten später, einige Sounds seien von ihnen geklaut gewesen. Wie auch immer, für Depeche Mode war diese Zeit richtungsweisend.
Im Jahr 2013, an seinem 66. Geburtstag, veröffentlichte David Bowie die Single »Where Are We Now«, die sein größter Charts-Erfolg seit 1986 werden sollte. Ein nostalgischer Rückblick auf seine Berlin-Jahre: Bowie singt über das Kaufhaus des Westens, den »Dschungel«-Club, den Potsdamer Platz und über den Einfluss von Erinnerungen. Der Song war gleichzeitig auch ein Abschied, drei Jahre später starb der Sänger. Zurück bleiben seine Lieder und Bowies Erkenntnis: »Berlin hat die seltsame Fähigkeit, einen dazu zu bringen, nur die wichtigen Dinge zu schreiben.«